These essays discuss the diverse aspects of the complex, dynamic, and
charged relationships between Germany and the Middle East in general, focusing
on several interesting states in particular, from the 1830s until the end of
the 20th century.
http://www.duei.de/doi/show.php/de/content/publikationen/orient303.html
Rezension des von Dir editierten Buches. Die Rezension wird demnaechst in "Orient" erscheinen. Goren, Haim (Hrsg.): Germany and the Middle East. Past, Present, and Future, The Hebrew University Magnes Press, Jerusalem 2003. Andreas Jacobs In der Regel stehen die Chancen schlecht, beim Aufschlagen einer Sammlung von Konferenzbeiträgen auf spannende und kenntnisreiche Lektüre zu stoßen. Bei dem von dem israelischen Historiker Haim Goren herausgegebenen Sammelband „Germany and the Middle East“ ist das anders. Hat man das Buch erst einmal aufgeklappt, ist der schauerlich gestaltete Einband schnell vergessen. Dreihundert informative und abwechselungsreiche Seiten entschädigen hierfür ebenso, wie für den fehlenden roten Faden. Ein Buch, das mit der Heiligen Elisabeth von Ungarn und Thüringen im 11. Jahrhundert beginnt und mit einer Schilderung des israelischen Beitrag zur Geschützentwicklung des Leopard II-Kampfpanzers endet, muss zwangsläufig Lücken lassen. Die Stärke von Gorens Sammelband ist nicht das Aufzeigen großer Zusammenhänge, sondern die durchgehend detaillierte und profunde Beschäftigung mit Einzelaspekten und Momenten der deutsch-nahöstlichen Geschichte. Dennoch will das Buch Methode haben. Im Untertitel verspricht es zwar, sich mit „Past, Present, and Future“ zu beschäftigen. Im wesentlichen geht es aber um Vergangenes. Die deutschen Beziehungen zu Palästina und Israel bzw. der Region, die einmal Israel werden sollte, sind nur bei gründlicher Kenntnis der Geschichte verständlich. Das war auch der Grundgedanke der Konferenz, die das Harry S. Truman-Institute zusammen mit der Konrad-Adenauer-Stiftung im März 2000 in Jerusalem durchführte und die der Ausgangspunkt dieses Buchprojekts war. Der erste Teil richtet den Blick auf historische, geographische und politische Einzelaspekte der deutsch-nahöstlichen Beziehungen des 19. Jahrhunderts. Das beginnt mit Michael Stürmers Beschreibung der preußisch/deutschen Zusammenarbeit mit dem osmanischen Reich und setzt sich fort in Lars Hänsels profunder Darstellung der eifrigen Bemühungen Friedrich Wilhelms IV. in Palästina, die zum Aufbau eines sozialen Netzwerkes führten, das bis heute als wichtige Voraussetzung deutscher Präsenz in der Region gelten muss. Thorsten Neubert-Preine und Haim Goren richten anschließend den Blick auf die architektonischen und wissenschaftlichen Hinterlassenschaften Deutschlands in der Region bevor dann mit Isaiah Friedmanns bemerkenswertem Beitrag über das Verhältnis des deutschen Reiches und seines letzten Kaisers zur zionistischen Bewegung bis zum Ersten Weltkrieg wieder die Geopolitik ins Spiel kommt. Im zweiten Teil findet sich ebenso Überraschendes wie Erwartungsgemäßes. Helmut Mejchers Schilderungen der Nahostpolitik des dritten Reiches zählt ebenso zu den Überraschungen wie Gabriel Warburgs Aufarbeitung der Ereignisse im Sudan der fünfziger Jahren anhand von DDR-Quellen. Gewohnt routiniert und analytisch prägnant geht es dann bei Udo Steinbachs, Friedemann Büttners und Volker Perthes Ausführungen zur bundesdeutschen Nahostpolitik zu. Zusammengelesen findet sich in diesen drei Beiträgen auf knapp hundert Seiten eine der fundiertesten und aktuellsten Bestandsaufnahmen, die momentan zwischen zwei Buchdeckeln zu haben ist. Gerade das macht den Reiz des Buches aus: die Mischung aus Einzelstudien und analytischen Überblicksdarstellungen. Teil drei greift mit der Betrachtung kultureller und technologischer Einflussnahme Deutschlands dann wieder weiter in die Geschichte zurück. Den Anfang macht Dietrich Deneckes Schilderungen des deutschen Beitrags zur Kulturgeschichte Palästinas im 19. Jahrhundert. Zwischen Ideologie, Philantrophentum und kolonialen Ambitionen schwankten Ruth Kark und Naftali Thalmann zufolge die vielfältigen Aktivitäten der Templer im Heiligen Land. Fast ausschließlich um Politik ging es dann beim Bau der Bagdad-Bahn, die natürlich auch hier nicht fehlen darf. Allerdings liefert Walter Rothschilds Beitrag eine Reihe neuer Einsichten. Ihn interessieren weniger die bekannten geopolitischen Hintergründe als vielmehr die Ingenieursleistung des umtriebigen Heinrich August Meissner „Pasha“ und die Verbreitung deutscher technologischer Standards in der Region. Teil vier verdichtet den Fokus dann auf die deutsch-israelischen Beziehungen, genauer gesagt zunächst auf die Nahostpolitik der noch jungen DDR. Für Angelika Timm hat man es hier mit einer Verbindung aus anti-imperialistischer Rhetorik, Ideologie und sozialistischer Realpolitik zu tun. Auch Dominique Trimbur bleibt in den fünfziger Jahren, wechselt aber auf die andere Seite des Eisernen Vorhangs. Seine Ausführungen zum amerikanischen Einfluss auf die deutsche Nahostpolitik zeigen Abhängigkeiten und Handlungsspielräume zugleich, und sie zeigen vor allem, wie Konrad Adenauer die junge Bundesrepublik durch die Wirren des Suez-Krieges lavierte. Lavieren musste auch Israel. Dieser Ansicht ist zumindest Yeshayahu A. Jelinek in seiner Untersuchung der israelischen Politik gegenüber den beiden deutschen Staaten bis 1965. Für ihn war Israel dabei der klare Verlierer. Den Arabern gehörte das Spielfeld, die Bundesrepublik und die DDR waren die gegnerischen Mannschaften und Israel der Ball. Das mag man so sehen. Spätestens hier fällt auf, dass arabische Autoren in diesem Buch nicht zu Wort kamen. Aber schon Shlomo Shpiro sieht es anders. Für ihn spielen die Bundesrepublik und Israel in einer Mannschaft. Wer schon alles über Deutschland und den Nahen Osten zu wissen glaubte, lernt in seinen Ausführungen zur deutsch-israelischen Sicherheitskooperation noch einiges dazu. Dass gerade Mossad, BND, GSG-9, Uzi-Maschinenpistolen und der bereits erwähnten Leopard II dieses Buch abschließen, mag manchen befremden. Vermutlich wollte der Herausgeber dem spannendsten Beitrag das letzte Wort lassen. Dass die Methode der historischen Rückschau nicht alles hält was sie verspricht und die einzelnen Beiträge in Gorens Sammelband etwas lässig zwischen Ländern, Zeiten und Themen springen, kann man dem Buch nachsehen. So ist das nun einmal mit Sammelbänden. Wichtiger ist, dass der Mix aus profunden Detailstudien und überzeugenden Gesamtdarstellungen, angereichert durch eine Fülle an Literaturangaben sowie einigen Karten und Fotos, aufgeht. Gorens Sammelband ist ein Baukasten an Ideen und Informationen, der unter den wenigen, breiter angelegten Arbeiten zu den deutsch-nahöstlichen Beziehungen locker mithalten kann – nur zusammenbauen muss der Leser die einzelnen Teile selbst. Das aber ist zumutbar. Es passt also durchaus, wenn man beim Zuklappen von Gorens Buch freudig feststellt, dass seine Rückseite weit weniger abschreckend geraten ist als seine Vorderseite. Der Tagesspiegel, Berlin 05.04.2004 Unser Orient Zwei Bände zur zurückhaltenden Nahostpolitik der Deutschen Von Wolfgang G. Schwanitz Viele fragen sich mit Blick auf Irak, ob Berlin eine eigene Nahostpolitik hat. Ja, lautet die Antwort, aber eine wechselnde. In dem von Haim Goren herausgegebenen Band, der die Beiträge einer Tagung zusammenfasst, geht es um deutsche Beziehungen zum Nahen Osten vor und nach dem Ersten Weltkrieg, um Wirtschaft und Technologie sowie um Diplomatie zwischen Jerusalem, Bonn oder Ostberlin. Orientpolitik hieß das Genre im deutschen Kaiserreich, und schon die sah anders aus als die der anderen europäischen Mächte. Berlin strebte im Gegensatz zu London, Paris und Petersburg im Nahen und Mittleren Osten keine Kolonien an. Diese nichtimperiale Politik ließ die Deutschen – wie auch die Amerikaner einst – den Akzent auf Handel, Kultur und Forschung legen. Damit erfuhren sie einen Bonus bei jenen, die sich ihrer Kolonialherren zu entledigen suchten. Aber anders als bei Amerikanern wuchs bei den Deutschen zugleich eine starke Sympathie für den Islam, vor allem bei jenen, die im Geist des Orients Heil vor dem modernen Materialismus suchten. Wie Michael Stürmer zeigt, stand Berlin zu den Osmanen, deren Imperium zu zerfallen begann. Da sich Deutsche ihre Positionen in Wirtschaft und Kultur „erbaut“ hatten, etwa durch die Anatolische Eisenbahn, wollten sie diese entwickeln, wenn das Osmanische Reich fortbestehen würde. So erwuchs eine Kooperation, die im Ersten Weltkrieg zur Allianz wurde. Die Osmanen traten an der deutschen Seite in den Krieg ein. So ökonomisch und kulturell der Berliner Nahostkurs war, so ideologisch und asymmetrisch geriet er während des Weltkriegs: Eine Gruppe um Max von Oppenheim verfiel darauf, die Osmanen zum Dschihad gegen Briten, Franzosen und Russen zu drängen. Berlin stellte die Planer, die Türken die Soldaten. Islamische Revolten sollten im kolonialen Hinterland des Gegners entfacht werden. Die Weimarer Republik, schreibt Helmut Mejcher, hatte dann keine eigene Nah- und Mittelostpolitik mehr. Ähnliches traf auch auf Hitler zu, jedenfalls bis 1939, der den Raum Rom und London überließ. Erst als er 1941 meinte, durch den Kaukasus das Tor in die Region aufstoßen zu können, erließ er Weisungen für die Zeit nach dem Sieg über Moskau. Dann wollte er das Britische Empire zu Fall bringen und, das kündigte er Jerusalems Mufti Amin al Husaini an, mit den dortigen Juden wie in Europa umgehen. Dies verhinderten die militärischen Debakel in Stalingrad und al Alamain. Nach Krieg und deutscher Teilung wuchs der Politik in Nah- und Mittelost auch eine innerdeutsche Dimension zu. Bonn und Ostberlin gingen auch in Nahost entgegengesetzte Wege. Im Kalten Krieg lehnten sich beide Seiten an die Paktführer USA und UdSSR an. Das zeigt sich auch an Yeshayahu A. Jelineks jüngstem Buch über die ersten beiden Jahrzehnte der deutsch-israelischen Beziehungen. Denn Bonn war so eng mit Washington verbunden, dass es auf dessen Bitte geheim Waffen an Israel lieferte. Dies führte zum Debakel: Zehn arabische Länder kappten ihre Beziehungen zu Bonn. Das Vakuum füllte Ostberlin und erzielte seine diplomatische Anerkennung. Die deutsche Frage verquickte sich mit dem Nahostkonflikt. Jelinek hat dazu ein sehr profundes Buch vorgelegt, obzwar er die neuere deutsche und arabische Literatur kaum benutzt hat. Erst in den 90er Jahren befreite sich die deutsche Nahostpolitik von den ideologischen Zwängen des Kalten Krieges. Gemeinsam mit Europa entwickelte Deutschland eine Position im israelisch-arabischen Konflikt, die sich zunehmend von der amerikanischen löste. Berlin hielt sich auch nach dem 11. September zurück, wie Udo Steinbach ausführt. Kanzler Schröder sicherte Amerika Hilfe zu, doch als Bush das irakische Regime zu beseitigen suchte, fand der Beistand seine Grenzen: Berlin fand eine eigene Position zusammen mit Paris und Moskau. Steinbach fordert hier zu Recht eine eigene deutsche sowie europäische Politik. Berlin sollte Washington Konsultationen abverlangen und Amerika nicht wie üblich folgen. Fazit: Berlin muss seinen eigenen Nah- und Mittelostkurs des Friedens erst noch entwickeln.